
Von einer Insel zur anderen
- Autor*in
- Kristine Preuß
- Datum

Künstlerische Arbeit
Kathy Jetñil-Kijiner und Aka Niviâna: »From one Island to another / Rise: Von einer Insel zur anderen«, Video, 2018, 6:30 Min
Das Video, das Gedicht und die Entstehungsgeschichte dazu sind in acht Sprachen auf dieser Website zur freien Verwendung dokumentiert. https://350.org/de/von-einer-insel-zur-anderen/
Zwei Künstler*innen, eine Videoarbeit, zwei Inseln. Beide Inseln sind betroffen von der Erderwärmung. Auf der einen Insel steigt das Wasser, auf der anderen schmilzt das Eis. Zu sehen sind die Marshallinseln im Pazifischen Ozean – die Bilder zeigen türkisfarbenes Wasser, weißen Strand, Palmen und Sonne, Menschen in Sommerkleidern - und zu sehen ist Grönland am Nordpol mit Schnee, Gletschern und Felsen, die Menschen tragen Winterkleidung. Kontrastreicher können zwei Gegenden, ihre jeweiligen Kulturen und Landschaften nicht gezeigt werden. Trotz aller Unterschiedlichkeit haben sie jedoch eine Gemeinsamkeit: die weitreichenden Auswirkungen der Erderwärmung auf Natur und Leben.
Kathy Jetñil-Kijiner, Dichterin marshallesischer Herkunft, und die Schriftstellerin Aka Niviâna (Inuk, Grönland) setzen sich in ihrer künstlerischen Praxis mit der Klimakrise auseinander. Zusammen verfassten sie das Gedicht »Rise«, das sie in einer Videoarbeit gemeinsam ›performen‹. Die Schriftstellerinnen zeigen mit ihrer Arbeit, welche globalen Auswirkungen die Klimakrise hat. So bringt das Eis, das am Nordpol schmilzt, den Meeresspiegel im Pazifik zum Steigen. Entsprechend wechselt der Fokus des Filmes zwischen den Marshallinseln und Grönland, die Bilder zeigen die Landschaften parallel. Angesichts der Bedrohung der Lebensräume ›verbinden‹ sich die beiden Künstlerinnen im Medium ihres sechsminütigen Filmes. Sie gehen aufeinander zu, bringen Gaben der Erde und halten sich an den Händen.
Weltbeziehung und Resonanz
Mit Hartmut Rosa lässt sich der Aspekt der Weltbeziehung in der Videoarbeit betrachten (Rosa 2016). Resonanz entsteht, wenn Individuen in einen lebendigen, dialogischen Austausch mit ihrer Umwelt treten – sei es mit Menschen, Natur oder Kunst. Es geht um das „Antworten“ der Welt auf eine subjektive Anrufung. Die Resonanztheorie von Hartmut Rosa ist ein soziologisches Konzept, das er als Gegenentwurf zur zunehmenden Entfremdung in modernen Gesellschaften entwickelte. Im Kern beschreibt der Soziologe Resonanz als eine gelingende Beziehungsform zwischen Subjekt und Welt, die durch Gegenseitigkeit, Erreichbarkeit und Transformation gekennzeichnet ist.
Die Videoarbeit berührt durch das In-Beziehung-treten der beiden Künstlerinnen, sie schaffen eine Verbindung als Kraft und Trost in Zeiten planetarer Herausforderungen.
Welche Aspekte des Kunstwerks können für Kinder und Jugendliche interessant sein?
Die imposanten Bilder von Meer und Eis, gerade in ihrer gegensätzlichen Ästhetik, können für Kinder und Jugendlich spannend sein. Die Verknüpfung der Vogelperspektive auf Landschaften mit den Nahaufnahmen von Menschen, insbesondere Kindern, setzen die Betrachtenden ins Bild. Sie lässt sie, verstärkt durch musikalische Untermalung sowie die Stimme der Künstlerinnen in das Gedicht eintauchen und gleichzeitig die globalen Auswirkungen der Erderwärmung nachspüren. Darüber hinaus ›hallt‹ die poetische und das Leben zelebrierende Begegnung der beiden Künstlerinnen in den Betrachtenden nach. Dieser ›Nachhall‹ kann Kinder und Jugendlichen Trost spenden und den Blick für größere Zusammenhänge stärken. Die Künstler*innen machen vor, wie man sich durch künstlerisches Handeln verbinden kann: mit der Natur, den Anderen und sich selbst.
Wie kann das Kunstwerk Reflexion und Transformation von Zukünften anregen?
In ihrem Gedicht appellieren die Künstlerinnen, sich zu erheben und aufzustehen, was soviel bedeutet, wie selbst aktiv zu werden und sich mit anderen Menschen zu verbinden. Die Stimme in Wort und Bild ist dabei tragend. Die zentrale Frage, die die Künstlerinnen dabei durch ihre Arbeit stellen, ist, welche Formen die eigene Stimme annehmen kann, ohne dabei die Authentizität und Wirksamkeit zu verlieren.
Wie reflektiert die Arbeit die eigene Vergänglichkeit und Verantwortung?
Hier werden die Größe und die Besonderheit der Erde ein Stück sichtbar. Die eigene Vergänglichkeit wird spürbar, das Steigen der Meeresspiegel betrifft jetzt und in Zukunft Millionen von Menschen und Lebensräume. Es wird sichtbar, dass die Erderwärmung alle Lebewesen betrifft und ein globales Problem darstellt. Was Menschen auf der einen Seite der Erdhalbkugel tun betrifft die andere Seite ebenfalls: We are one Earth.
Die Idee der geteilten Erde wird im Film durch den Wechsel von Vogelperspektive und Nahaufnahme und durch die Nebeneinanderstellung von Aufnahmen der unterschiedlichen Erdteile sichtbar.
Kunstdidaktische Impulse
Papier-Eislandschaften: Sammle Papiere in unterschiedlichen Farbtönen. Zerknülle und falte sie so, dass sie wie eine Schnee- oder Eislandschaft aussehen. Baue einen Hintergrund und wähle eine passende Beleuchtung dazu. Fotografiere nun die Knitterpapiere so, dass Deine Fotos an eine weiße Landschaft erinnern und die Größenverhältnisse unklar werden.
Materialdruck: Nimm nun Deine zerknüllten Papiere, forme sie zu kompakten Gebilden, walze sie mit Farbe ein und drucke sie auf einem weiteren Bogen Papier ab. Auf diese Weise entstehen Berglandschaften und Eisformen auf Deinem Bild. Experimentiere nun mit Farben und Formen – und mit dem Zufall (mithilfe einer Druckpresse werden die Drucke noch präziser).
Wie klingt Eis? Eis kann knurren, heulen, knirschen, murren, knacken und wie schräge Orgelpfeifen tönen. Als treibendes Material führt Eis auf den Polarmeeren sein Eigenleben, indem es teilweise jahrelang umherwandert. Durch diese Bewegungen kommt es zu Kollisionen und Reibungen, die eine Vielzahl von Geräuschen produzieren. Recherchiere im Internet und höre Dir Tonaufnahmen aus dem Eis an. Lasse Dich von den Tönen zu einem Lautgedicht inspirieren. Vielleicht magst Du dem Eis selbst eine Stimme verleihen und es erzählt von seiner Geschichte und seinen Erfahrungen?
Entdeckung aus dem Eis. Erfinde eine Entdeckungsgeschichte. Verblüffend echt klingend und doch ausgedacht. Unter schmelzendem Eis ist etwas Neues hervorgekommen. Schreibe Deinen Bericht so auf, als sei er in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden. Gestalte einen Artikel und erstelle ein sehr gutes Foto dazu.
Postkarten der Wirklichkeit: Wir sind umgeben von Bildern, die uns intakte Natur, zum Beispiel Schneelandschaften zeigen. In Wirklichkeit verändert sich das „Landschaftsbild" und an Orten, wo es einmal zuverlässig schneite bleibt es im Winter grün und braun. Auf Postkarten und in Souvenirläden sehen wir meist, wie Eis- und Schneelandschaften einmal ausgesehen haben. Wie müssten heutige Andenkenartikel und Produkte gestaltet sein, um die Realität abzubilden? Entwerfe Postkarten und Souvenirs.
Verwendete Literatur
Blattwerke Eis. Das Ideenheft des Museums Sinclair-Haus, kostenloser Download: museum-sinclair-haus.de/blattwerke
Rosa, Hartmut (2016). Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, Berlin: Suhrkamp.
Zitation
Preuß, Kristine (2025). Von einer Insel zur anderen. KLIMA. KUNST. BILDUNG., herausgegeben von Kirsten Winderlich und Stefanie Johns. [letzter Zugriff: 15.09.2025]; https://klimakunstbildung.com/artikel/von-einer-insel-zur-anderen